Grüne Haushaltsrede 2016

16.12.16 – von Valeska Grap –

Der nächste Kreishaushalt und seine aktuelle Gestaltung sind immer das schwierigste Vorhaben im Jahr.

Das Besondere in diesem Jahr war die Vielzahl der kurzfristigen Nachschläge, die sowohl vom Land als auch vom LWL kamen.

Unter den beteiligten Verhandlungspartnern wurde ausgelotet, in wie weit der Partner noch über Reserven verfügt, die er dem Kreishaushalt zur Verfügung stellen kann. Das vorhandene Eigenkapital bietet immer Begehrlichkeiten bei der Haushaltsgestaltung.

Diesen Herausforderungen hat sich der Kreis Warendorf spätestens in diesem Jahr entzogen. Der Kreis besitzt bis auf eine minimale Risikoreserve kein Eigenkapital mehr.

Damit begibt sich der Landrat in eine außerordentlich komfortable Position. Das zeigte sich auch in den Stellungsnahmen der Bürgermeister, die in diesem Jahr in nahezu freundschaftlicher Anteilnahme getextet waren und in der Verhandlungsposition gegenüberdem LWL. Wahrscheinlich hat der LWL aus lauter Mitgefühl noch einmal in seine Rücklagen gegriffen, um dem Kreis einige hunderttausend Euro seiner ursprünglichen Umlageforderungen zu erlassen. Und bei dem ganzen Verhandlungsmarathon konnten sich der Landrat und seine Führungsmannschaft mit gutem Gewissen der Beschaffungder Haushaltsmittel widmen.

Der Kreis hat wirklich keine Eigenkapitalreserven. Wenn die kommunale Finanzsituation sich so weiter entwickelt, werden der LWL und alle beteiligten Kommunen bald in dergleichen Situation sein und von der Hand in den Mund leben. Sieht so die Zukunft der Kommunalgesellschaft aufgrund der strukturellen Unterfinanzierung durch den Bund aus?

Das Jahr 2016 war geprägt von großen Flüchtlingsbewegungen, welche im Zuge von Kriegen und der Problematik des globalen Klimawandels immer mehr zugenommen haben.

Besonders beklagenswert ist die Situation der Klimaflüchtlinge, welche vor der Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen flüchten und die von der internationalen Gemeinschaft nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Sie tragen die Last eines solchen Schicksals ganz allein ohne eigenes Verschulden und ohne gesetzlichen Schutz.

Die allgemeine Gleichgültigkeit, welche diesen Menschen gegenüber herrscht, ist ein Symbol für den Verlust jenes Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen, auf das sich jede zivile Gesellschaft gründet.

Wir benötigen eine Kultur des Hinschauens und nicht des Wegsehens.

Es ist dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den kommenden Jahren die negativen Auswirkungen des Klimawandels durch eine drastische Reduktion des CO2 Ausstoßes zu reduzieren.

Der Zustand von Arktis und Antarktis zeigt, wie real der Treibhauseffekt ist.

Und wie wenig man ihn zur Glaubenssache erklären darf.

Eine kürzlich erstellte Studie zeigte den Zusammenhang zwischen der stetigen Erwärmung des Mittelmeeres und der Zunahme von Starkregenereignissen in Mitteleuropa auf.

Ohne jede Rücksicht aufs Postfaktische und Klimaskeptische geht die Klimaerwärmung also ihren Weg, wie Stefan Schmitt in der letzten Ausgabe der Zeit so treffend formuliert hat.

Die Zeitverschwendung, die sich in diesem Zusammenhang beobachten lässt, ist nur durch die Kampagnen der Öl-und Kohlelobby erklärbar. Auch in Europa bewegen sich beim Klimaschutz rechtskonservative und neoautoritäre Parteien auf einer Bandbreite zwischen Nichtstun und Leugnung. Das lässt sich in Polen beobachten, beim Front National und im Grundsatzprogramm der AfD.

Niemand sollte sich einreden lassen, es handele sich hier um eine Glaubensfrage. Jeder kann mithelfen die Instrumentalisierung dieses Diskurses durch klare Trennung zwischen Wertvorstellungen und Fakten zu verhindern.

Doch schon lange ist klar, dass Klimaschutz eine gute Zukunftsvorsorge bedeutet und eine Verantwortungsübernahme für zukünftige Generationen.

Umso erfreulicher ist es, dass der Klima Oscar der European Energy Award gleich fünfmal in den Kreis Warendorf ging. Neben den Kommunen Ostbevern, Telgte, Sendenhorst und Beckum wurde auch der Kreis selbst ausgezeichnet.

Mit 82 % aller möglichen Punkte erreichte er das beste Ergebnis aller deutschen Kreise. Ein herzliches Dankeschön unserer Fraktion an alle, die dazu beigetragen haben.

"Klimaschutz wächst eben von unten aus der Gesellschaft heraus"

Kommen wir nun zum Flüchtlingskonzept!

Wie geht der Kreis Warendorf mit Menschen um, die dem Bombenhagel eines Diktators entfliehen, die zerrieben werden zwischen den Machtansprüchen verfeindeter Repräsentanten von Glaubensrichtungen, die es irgendwie schaffen auf seeuntüchtigen Booten das Mittelmeer zu überqueren?

Im Konzept des Kreises Warendorf für den Umgang mit geflüchteten Menschen sind zahlreiche Maßnahmen aufgeführt, die der Kreis Warendorf für die Integration dieser Menschen bereithält.

Das begrüßen wir.

Bedauerlich ist allerdings, dass der Landrat in seiner Einbringungsrede zum Haushalt 2017 dem angesprochenen Konzept den Titel gibt: „Fördern-Fordern-Abschieben.“

Das ist nicht der Name des Konzepts, den der Kreistag verabschiedet hat.

Die Frage, auf welche Klientel solche unterkomplexen Argumentationen abzielen, mag sich jeder selbst beantworten.

Man muss im Wahlkampf auch nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird, wie Frau Dr. Merkel unlängst bemerkte.

Wir bezweifeln, dass das eine geeignete Methode ist die Solidarität unter den Einwohnerinnen und Einwohnern im Kreis Warendorf zu fördern.

Wenn Sie dann noch zusätzlich die demokratisch verankerte Institution der Härtefallkommission des Landes in ihrer Haushaltsrede diskreditieren und behaupten, deren Arbeit sei überflüssig, bringt das so manchen in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich engagierten Menschen ins Nachdenken. Das passt so gar nicht zu dem herzlichen Vorwort im Flüchtlingskonzept oder zu der Veranstaltung mit Peter Sodann, der auf Haus Nottbeck aus den Flüchtlingsgesprächen von Berthold Brecht liest.

Was den Umgang mit geflüchteten Menschen angeht, so würden wir uns etwas Haltung im Bezug auf die Würde eines jeden Menschen, etwas lachenden Mut bei der Integration und Mut zum Perspektivwechsel wünschen.

Freiheit ist nämlich nichts, was man besitzt, sondern was man tut, insbesondere im Bezug auf seine Haltung.

Mobiticket:

Der Kreis Warendorf hat mit Zustimmung fast aller Fraktionen, also mit Zustimmung der bürgerlichen Fraktionen, das Mobiticket eingeführt und in einem zweiten Anlauf sogar die Reichweite des Tickets vergrößert.

Das Mobiticket stützt zum einen finanziell schwächere Mitbürger und ermöglicht ihnen eine größere gesellschaftliche Teilhabe, unter anderem einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt.

Wir wissen alle, dass mangelnde Mobilität ein Vermittlungshemmnis auf dem Arbeitsmarkt bedeutet. Darüber hinaus wird das aus unserer Sicht zukunftsträchtigste Verkehrsmittel unterstützt, nämlich der ÖPNV.

Einziger Wermutstropfen : Wenn die Finanzierung durch das Land ausläuft, würde es uns sehr freuen, wenn der Kreis einen Teil der Verantwortung übernehmen würde.

Haus Nottbeck:

Betrachten wir das kulturelle Engagement des Kreises, so begrüßen wir sehr, dass für die Renovierung und vor allem Weiterentwicklung der Ausstellung des Museums für westfälische Literatur nicht unerhebliche Drittmittel akquiriert wurden.

Es ist wichtig, den Bewohnern einer Region ein breites kulturelles Angebot zu machen. Wichtig ist auch, dass der Zugang hierzu allen gewährt wird.

Ein wenig irritiert hat uns schon, dass die Kreisverwaltung sehr früh signalisiert hat, die 100.000 € Kreisanteil fänden sich schon irgendwo im Haushalt.

Warum tut man sich dann bei anderen Projekten so schwer das nötige Geld bereitzustellen?

Und damit sind wir schon beim Antrag von 'Frauen helfen Frauen'.

Was für ein merkwürdiges Gezerre um den von den Damen gestellten und von der SPD eingebrachten Antrag eine Stelle für die Präventionsarbeit in Bezug auf sexualisierte Gewalt einzurichten.

Jüngste Studien haben dramatische Zahlen offenbart.

Prävention und Aufklärung sind ein wichtiger Baustein zur Vermeidung sexueller Gewalttaten.

Nach langen zähen Verhandlungen wurden als Kompromiss wenigstens die Gelder für eine halbe Stelle in den Haushalt eingestellt.

Warum waren diese Gelder nicht einfach im Haushalt zu finden, wie es auch an anderer Stelle möglich war?

Wieso ist laut CDU hier die Rede davon, dass der Kreis kein Ausfallbürge für vom Landinitiierte Aufgaben sei? Hier lässt sich eine ideologiegeleitete Politik erkennen, die wir nur zähneknirschend hinnehmen können.

Wäre nicht vom Verein 'Frauen helfen Frauen' das Signal ausgegangen erst mal mit einer zusätzlichen halben Stelle auszukommen, hätten wir den Haushalt in seiner Gesamtheit abgelehnt.

Unterhaltsvorschuss und Forderungsmanagement, ein untrennbares Team

Kinder, unsere Zukunft, Kinder, unsere Liebsten. Ein Drittel unserer Kinder wachsen in alleinerziehenden Familien auf.

In den meisten Fällen sind es die Mütter, die den überwiegenden Teil der Erziehungsleistung erbringen. Weil viele der unterhaltspflichtigen Ex-Partner ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, hat der Gesetzgeber das Instrument des Unterhaltsvorschusses eingeführt. Unterhaltsvorschuss wird bis zum Kindesalter von 12 Jahren gezahlt.

Der Gesetzgeber plant für 2017 eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Kinder bis zur Volljährigkeit von 18 Jahren. Auch der Kreis ist in diese Finanzierung mit ca. 1,7 Mio. € eingebunden.

Für den amtierenden Kreisdirektor ein Grund, die hohen Ausgaben zu beklagen, zu Recht muss man zugeben. Auch hier sollte das Konnexitätsprinzip gelten.

  • Aber welche Klage ist von den betroffenen Müttern angemessen, die aktuell ihre Unterstützung für Kinder über 12 Jahre verlieren?
  • Welche Klage ist angemessen, wenn diese Mütter ihre Kinder als größtes Armutsrisiko erkennen müssen?
  • Welche Klage ist angemessen, wenn diese Mütter einkommensmäßig von SGB II abhängig werden?

Verehrter Herr Kreisdirektor, wir hätten uns gewünscht, dass Sie die Initiative des Gesetzgebers in Berlin begrüßen, wenn unsere Mütter und unsere Kinder im Kreis endlich eine bessere Unterstützung in ihrer finanziellen Notlage erhalten.

Das sind Menschen, die ohne eigenes Verschulden in diese Notlage geraten. Diese Gesetzesänderung basiert ja auf der Erkenntnis, dass das Armutsrisiko von Alleinerziehenden überproportional groß ist.

Der vielgepriesene Markt kennt das Merkmal Armut, aber er überlässt es uns, hier einen Ausgleich zu schaffen.

Wir bitten Sie, berücksichtigen Sie bei Ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit die Unvollkommenheit des Marktes und die Notwendigkeit von sozial orientierten Korrekturen in dem System, in dem wir leben.

Bei der Rückforderung des Unterhaltsvorschusses lässt sich die Belastung des Kreises mindern. Hier nimmt der Kreis die unterhaltsverpflichteten Väter in die Zahlpflicht.

Das in dem vergangenen Jahr ausgebaute Forderungsmanagement wird hier eine neue Bewährungsprobe bestehen müssen. Gut, dass die Kreisverwaltung sich frisch aufgestellt hat.

Wir erwarten, dass zahlungsfähige Unterhaltsverpflichtete erfolgreich zur Kasse gebeten werden. Gern unterstützen wir ideenreiche Zahlungsaufforderungen.

FMO:

Es ist kein Geheimnis Herr Landrat, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Zukunft des Flughafens Münster-Osnabrück nicht rosig ist, auch wenn man eine rosa Brille aufsetzt.

Auf Nachfragen, ob es denn Sinn macht an der Planung zu einer überdimensionierten Interkontinental- Startbahn festzuhalten, antworteten Landrat und FDP, man solle die Experten über den Flugbetrieb am FMO entscheiden lassen und den Flughafen nicht schlecht reden. Inzwischen haben die Experten gearbeitet und entschieden, begleitet von teuren Unternehmensberatern.

Ergebnis: Der Markt hat's geregelt!

Die Passagierzahlen sinken.

Dabei war sich der Ex Flughafengeschäftsführer doch so sicher, dass jedes Jahr 4,3 % mehr Passagiere von Ladbergen in die weite Welt fliegen würden.

Es sei dem aufmerksamen Betrachter erlaubt zu fragen wie fundamental das wirklich ist für das Wirtschaftswachstum im Kreis Warendorf.

Was ist aus dem geplanten Frachtdrehkreuz geworden?

Da kann einem schon der Gedanke „letzte Ausfahrt Fed EX" kommen. Inzwischen wissen wir gutachterlich bestätigt, dass Frachtunternehmen kein Interesse an einer Ausweitung des Flugverkehrs am FMO für Frachttransporte haben. Warum ist das so? Die Airlines landen dort, wo die Musik spielt, auf den Großflughäfen.

Was sind also die Konsequenzen? Auf jeden Fall nicht eine Flughafeninfrastruktur auf Kosten der öffentlichen Hand vorzuhalten, welche nur von einigen Wenigen genutzt wird.

Auch in diesem Jahr hat das langfristige Refinanzierungskonzept des FMO die Kreiskasse um 400.000 Euro erleichtert. Hier haben sich die Mitglieder der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrates des FMO von zweckorientierten Gutachten mit pseudowissenschaftlicher Argumentationsvielfalt beflügeln lassen. Das Ergebnis ist ein hoffnungslos überschuldetes Unternehmen, das noch über Jahre am Tropf der Steuerzahler hängen wird. Aber hier gibt es für die geschätzten Zuhörerinnen und Zuhörer eine interessante Erlebniswelt zu erfahren: Nutzen Sie die imposanten, nach bionischen Erkenntnissen der Architektur gestalteten Empfangshallen des FMO. Es stören kein Fluglärm und keine Passagiere. Sie werden begeistert sein. Und in diesem Raum kann es ihnen zuteil werden,dass ihnen ein Engel zuruft: "Möchten Sie mehr über unseren schönen Flughafen erfahren?" Wenn sie das Angebot annehmen, wird man Sie diskret in ein Hamsterrad geleiten, in dem sie bis 2023 die Runden drehen, bis der letzte Euro für das Fantasieprojekt"Intercontinental-Flughafen FMO" getilgt wird.

Wegseitenränder:

Die grüne Fraktion als ökologisches Gewissen ist wichtiger denn je für den Kreistag. Ich möchte hier zwei Beispiele nennen.

90 ha Fläche im Besitz des Kreises werden von Landwirten illegal beackert. Diese Zahl beschreibt nur die Flächen, die der Kreis besitzt, in den Kommunen sind es nochmals große Flächen. Auf unser beharrliches Nachfragen im Ausschuss für Wirtschaft, Umwelt und Planung sieht nun auch die Kreisverwaltung dringenden Handlungsbedarf, die Betroffenen Flächen wieder in ihren alten Zustand zurück zu versetzen.

Es handelt sich keineswegs um ein Bagatellvergehen, sondern um ein systematisches sich nicht an gesetzlich festgesetzte Grenzen Halten.

Wir werden auch weiterhin genau hinschauen und fordern, dass die Übernutzung von ökologisch wertvollen Flächen aufhört.

Wie wichtig das ist, zeigen jüngste Vorfälle im Naturschutzgebiet Emsaue bei Warendorf.

Ein Eigentümer setzt sich über alle Schutzbestimmungen hinweg und vernichtet wertvollen Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten, wie zum Beispiel des Eisvogels.

Das, verehrte Damen und Herren, sind die realen Alltagbedingungen, unter denen sich die Frage nach der Zustimmung zum Haushalt 2017 stellen. Fehler der Vergangenheit belasten den HH 2017 und hätten vermieden werden können. Wir hoffen aber, dass sie als schlechtes Beispiel für zukünftige Entscheidungen dienen. Bündnis 90/Die GRÜNEN wird diese Aufwendungen am Ende der Durststrecke im Investitionskonto als Erinnerungsposten ablegen.

Bündnis 90/Die GRÜNEN stimmen dem Haushaltsentwurf 2017 mit einem Hebesatz der Kreisumlage von 38,8 % und einer Jugendamtsumlage von 17,5 % zu.

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